Das Inline-Speedskating-Team Tecnica-Austria, aufgebaut und gemanagt vom Tiroler Sportwissenschafter Stefan Lindinger, hat eine beachtliche Entwicklung hinter sich - und dies nicht nur auf sportlichem Niveau.
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Teamcaptain Lindinger ist stolz auf seine Gruppe. Es ist kein Team von Superstars, sondern eine ausgeglichen besetzte Mannschaft. Mit Tecnica wurde ein engagierter Ausrüster gefunden, der es versteht, den Sportlern die Wünsche von den Augen abzulesen. Vor Saisonbeginn wurden noch - schnell, schnell - fünf Paar Karbonschuhe angepasst: Kostenpunkt 10.000 Mark, und einen Klappschuh extra, zum Probieren quasi. Marco Maggiolo, italienischer Ingenieur aus dem Veneto und Spezialist in Sachen Inline-Innovationen hat mit der österreichischen Einheit einen wissenschaftlichen Partner gefunden. Ein neuer Inline-Slalom- und Inline-Hockey-Skate mit spezieller Schiene soll gemeinsam analysiert und weiterentwickelt werden. Bei diesem Schuh ist die Karbonschiene nicht aus einem einzigen Stück, sondern zweigeteilt. Wie beim Slalom-Carver kommt es quasi durch diese innovative Konstruktion zu einer Taillierung, kleinere Radien können gefahren werden. Das heißt für Slalom-, Hockey- und vielleicht auch Downhill-Inliner: engere Kurven, größere Innenbeinbelastungen, Umsatz höherer Kräfte in Geschwindigkeit sind möglich. Doch was das Gefühl ausdrückt, soll nun wissenschaftlich untersucht, bestätigt und Erkenntnisse sollen umgesetzt werden. Fratis Klappschuh ist gerade beim DP sehr stabil , was derzeit von nicht allen Produkten gesagt werden kann, analysiert Lindinger die aktuelle Lage. Wer mit einem Klappschuh läuft, muss sich gezwungenermaßen in Zug- und Druckphase des DP in Mittellage befinden. Zuviel Vorlage wird vom Klapp-Skate sofort rückgemeldet. Das kann sich zu einem spannenden wissenschaftlichen Projekt ausweiten: innovative Weiterentwicklung der Lauftechniken und gleichzeitig auch neue Klappschuhvarianten auf der Basis biomechanischer Analysen. Besonderes Augenmerk wird momentan jedoch auf eine Pilotstudie gelegt, die von Sportwissenschaftler Joe Kröll, einem 25-jährigen Skitrainer aus St. Ulrich in Tirol und Mitarbeiter am Salzburger Institut, kürzlich durchgeführt wurde. Er untersuchte den Inline-Slalom als mögliche alternative Sommertrainingsform für den Alpin-Slalom am Gletscher. Und kam zum Schluss: das macht Sinn! Angeregt wurde Kröll vom Beispiel des österreichischen Jugend-Staatsmeisters Andreas Omminger. Er begann, motiviert durch seinen Vater, schon von klein auf mit Inline-Skates zu trainieren - und feiert nun Erfolge auf dem Schnee. Durch ihn kam ich zum Entschluss, mich wissenschaftlich mit der Thematik zu beschäftigen, sagt Kröll rückblickend. Die Vorteile des Inline-Slalom-Trainings liegen auf der Hand. Es bietet für Kinder eine gute Möglichkeit des Techniktrainings, wenn im Sommer nicht auf Schnee geübt werden kann. Es verkürzt die Übungszeit an sich und geht mit weniger Kraftaufwand vonstatten. Zudem fehlt nicht die koordinative Komponente, und die Kinder haben ihren Spaß dabei. Die Kritik, der sich Kröll sofort gegenüber gestellt sah: im Inline-Slalom fehlen die für den alpinen Torlauf typischen Kraftspitzen, weil der Untergrund ein anderer ist. Und so begann der Sportwissenschaftler mit Hilfe von Druckmesssohlen mit der dynamischen Analyse, um die Kräfte und deren Verläufe an der Fußsohle zu bestimmen. Mit speziellen Gelenksgoniometern wurde beispielsweise die Kniewinkelverläufe über die Zeit eruiert. Zudem wurden Geschwindigkeiten gemessen und Videoanalysen gemacht. Ich arbeitete mit verschiedenen Kurssetzungen und verschiedenen Rollen-Setups, mit fünf, vier oder zwei Rollen, erklärt Kröll. Die Kurssetzung war nicht entscheidend, aber in den Setups waren die zwei Rollen exakter im Sinne der Linienwahl. Mein methodischer Rückschluss: wer als Skiläufer sehr gut auf Inline-Skates steht, soll auf zwei Rollen üben. Inline-Skating für den alpinen Torlauf - das ist wie das Üben der Kugelstoßer mit einer leichteren Kugel oder das Techniktraining der Ringer mit einer widerstandslosen menschengroßen Puppe. Wenn die Grundstruktur einer Bewegung erlernt werden soll, sind hohe muskuläre Belastungen und große Fliehkräfte eher ein Nachteil. Eine zweite Anwendung der Inline-Skates für Skifahrer besteht im Erlernen der Mittellage, sagt Kröll. Auf den Skates bin ich gezwungen, zentral über den Rollen zu stehen - wenn nicht, sitze ich nämlich sehr schnell auf dem Hosenboden. Im hochklassigen Ski-Jugendbereich ist Inline-Skating deswegen sicher eine alternative Trainingsmethode für jene, die auf den kurzen, aggressiven Ski im Winter , zu weit hinten‘ sitzen und abheben. Auch wenn der Inline-Sport als Imitationsübung sehr gut zu gebrauchen ist, warnt Joe Kröll Skifahrer davor, Inline-Slalom wettkampfmäßig zu betrachten. Das klassische, Zeitgewinn bringende Abstoßen bei den jetzigen Inline-Slalomkursen entfernt den Sportler von einer sauberen Skitechnik. Der aktive Abdruck beim Inlinen ist im Skifahren so ungefähr der größte Fehler, den man begehen kann. Und deshalb mein Appell an die Trainer: versucht nicht, beim Inline-Slalom zu einer Zeitminimierung zu kommen. Das Üben im Inline-Slalom macht nur dann einen Sinn, wenn die Technik im Sinne der Alpin-Technik kontrolliert wird. Der Trainer sieht zwar einen Sportler auf Rollen, muss aber in seinem geistigen Auge einen auf Ski visualisieren. Weil Athlet und Material im Hochleistungssport eine Einheit bilden, ändern sich mit weiterentwickelten Idealtechniken und Erkenntnissen dazu auch die Anforderungen an das System Schuh: wie muss das Gerät sein, um die Technik zu optimieren, fragt sich Lindinger, oder, andersrum: Welche Innovationen auf dem Materialsektor haben welche Auswirkungen auf die Bewegungsabläufe bzw. ermöglichen erst neue Techniken? Inline-Skating - mehr als ein Sport. Ein Beruf, eine Berufung. Quelle: http://www.skate-in-magazin.de |